• Ich zwitschere

Eigentlich…


Eigentlich würde ich heute nicht in Köln am Schreibtisch sitzen, sondern in Beirut. Heute, am 12.11. wollte ich meinen nächsten Halbmarathon laufen aber irgendwie finden Beirut und ich nicht zueinander.

Schon zweimal, 2019 und 2020, wollte ich den Libanon besuchen und beim Beirut Marathon den halben Marathon laufen.

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Was verdient eigentlich ein Staatssekretär – Version 2022


Mit guten Traditionen soll mensch nicht brechen und insofern will ich auch gern für das letzte Jahr auflisten, was ich so als Staatssekretär verdient habe und was daraus wurde.

Die Grundlagen habe ich in dem Blogbeitrag dargelegt, da will ich euch nicht mit Wiederholungen langweilen. Nach wie vor berechnet sich meine Besoldung nach Besoldungsstufe B 9.Und so weist meine Lohnsteuerjahresbescheinigung für das Jahr 2022 einen Bruttoarbeitslohn von 144.922,25 Euro aus. Dazu kamen im letzten Jahr 6.090 Euro Einnahmen durch die Vermietung einer Wohnung in Köln. Diese Wohnung habe ich im letzten Jahr an den dortigen Mieter verkauft. Von dem Erlös habe ich eine Wohnung in Berlin erworben, die ich ebenfalls vermiete. Die Mieteinnahmen im letzten Jahr lagen bei 7.184 Euro.Auch zu den Nebentätigkeiten habe ich im letzten Jahr ausführlich geschrieben, wie diese geregelt sind, insofern will ich das nicht wiederholen2022 nahm ich folgende Nebentätigkeiten wahr:          Vorsitzender des Verwaltungsrates von ThüringenForst AöR          Vorsitzender des Aufsichtsrates der Thüringer Landgesellschaft          Stellv. Vorsitzender des Aufsichtsrates der Flughafen Erfurt GmbH          Mitglied des Verwaltungsrates der Thüringer Aufbaubank und          Mitglied des Aufsichtsrates der KölnMesse GmbH          Mitglied des Aufsichtsrates der nd Genossenschaft eGAls Mitglied des Aufsichtsrates der KölnMesse GmbH habe ich in 2022 Sitzungsgelder in Höhe von 3.250,- Euro und des Verwaltungsrates der Thüringer Aufbaubank 600,- € erhalten. Und schließlich wurde mir als Mitglied des Vorstandes der internationalen jugendgemeinschaftsdienste (ijgd) eine Aufwandsentschädigung von 840,- € ausgezahlt. Zuguterletzt hatte ich im letzten Jahr Einkünfte aus Kapitalanlagen in Höhe von ca. 198,- €. Insgesamt hatte ich also Einnahmen von ca. 163.000,- € im Jahr 2022.

Diese Einkünfte sind natürlich zu versteuern. Im letzten Jahr habe ich ca. 41.500 ,- € Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag bezahlt (also etwa ein Drittel meines Bruttoeinkommens). Hinzu kommen die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von etwa 2.385,- € im Jahr.

An meine Partei DIE LINKE habe ich 2021 20.365 € an Beiträgen und Spenden gezahlt. Das beinhaltet den Mandatsträgerbeitrag in Höhe von 1.400,- € im Monat und den Parteibeitrag in Höhe von 300,- €. Ca. 3.600,- € im Jahr habe ich im letzten Jahr an Beiträgen und Spenden an Vereine gezahlt, in denen ich Mitglied bin von der AIDS-Hilfe Köln, über den BRC Thüringen und VerDi bis zur Schutzgemeinschaft Deutscher Wald.

Natürlich bleibt da mehr als genug zum Leben übrig und genau deshalb habe ich auch dieses Jahr nichts dagegen, das transparent darzustellen. Versachlicht ja manche Debatten 😊 .

Was verdient eigentlich ein Staatssekretär – Version 2021


Im vergangenen Jahr hatte ich hier mal aufgestellt, was ein Staatssekretär so im Allgemeinen und ich dann ganz konkret an Einkünften hat/habe.

Die Grundlagen habe ich in dem Blogbeitrag dargelegt, da will ich euch nicht mit Wiederholungen langweilen. Nach wie vor berechnet sich meine Besoldung nach Besoldungsstufe B 9.

Und so weist meine Lohnsteuerjahresbescheinigung für das Jahr 2021 einen Bruttoarbeitslohn von 144.138,60 Euro aus.

Dazu kamen im letzten Jahr 10.440 Euro Einnahmen durch die Vermietung einer Wohnung in Köln. Übrigens gab es auch dazu Fragen 😊 Ich habe diese Wohnung seit 2006 und vermiete die 70qm seit 2008, weil ich in dem Jahr mit meinem Göttergatten in eine gemeinsame neue Wohnung gezogen bin.

Auch zu den Nebentätigkeiten habe ich im letzten Jahr ausführlich geschrieben, wie diese geregelt sind, insofern will ich das nicht wiederholen.

Ich habe Fragen…


Und wieder mal gibt es einen Aufruf der Friedensbewegung, diesmal heißt er „Friedenspolitik statt Kriegshysterie!„.

Die meisten von uns wird die Sorgen um die Lage im Osten Europas einen. In und um die Ukraine ist eine politische Situation entstanden, die befürchten lässt, dass ein Funke reicht, um einen Flächenbrand auszulösen. Insofern ist es vollkommen berechtigt, sich dafür einzusetzen, alles zu unternehmen, um zu entspannen und zu deeskalieren.

Ich halte es für vollkommen legitim, in einem solchen Konflikt auch prononciert Stellung zu beziehen oder sogar Partei zu ergreifen aber das sollte dann auch deutlich zum Ausdruck kommen und nicht unter der weißen Flagge der Neutralität daherkommen.

Generell bin ich kein Freund allgemeiner Aufrufe und Appelle, deren Wirkung ich für begrenzt erachte und die in der Regel eher der Selbstbestätigung der eigenen Positionen dienen. Mit Diskurs und Debatte hat das nicht viel zu tun aber kommen wir zurück zu dem jetzt kursierenden Aufruf, der auch von vielen Mitgliedern der Partei, der ich angehöre, unterzeichnet wurde.

„Die Krise um die Ukraine hat sich zur ernsten Bedrohung des Friedens in Europa zugespitzt.

Eine einseitige Schuldzuweisung an Russland, wie sie von einigen westlichen Regierungen und in den großen Medien vorgenommen wird, ist nicht gerechtfertigt und nimmt zunehmend den Charakter von Kriegspropaganda an.

Trotz der Militärmanöver in der Nähe zur Ukraine hat Russland kein Interesse an einem Krieg, der für alle Seiten katastrophale Folgen hätte. Es stehen ähnlich viele Soldaten auf der ukrainischen Seite und bedrohen die von pro-russischen Rebellen kontrollierten Gebiete in der Ostukraine. Auch ohne kriegerische Absicht besteht angesichts der angespannten Situation die Gefahr, dass eine Provokation zum Funken wird, der das Pulverfass explodieren lässt.“

Ja, eine einseitige Sicht auf die Lage in der Ukraine hilft niemandem. Genauso wenig hilfreich ist es aber, wenn plötzlich Ursache und Wirkung verwechselt werden. Es ist hoffentlich unstrittig, dass es zunächst mal das legitime Recht eines Staates ist, auf eigenem Staatsgebiet eigene Soldat:innen zu stationieren. Hier ist nicht der Platz dafür, wo und wie ich die „pro-russischen Rebellen“ einordne. Fakt ist, dass das erklärte Ziel dieser „Rebellen“ und ihrer obskuren Volksrepubliken schließlich und endlich der Anschluss an die Russische Föderation und die Destabilisierung der Ukraine ist und dazu gehört eben auch, dass Russland diesen Prozess eben auch unterstützt. Im übrigen hat die Ukraine sehr leidvolle Erfahrungen mit der Haltung Russland in Bezug auf das eigene Staatsgebiet gemacht, denn die Krim ist auf völkerrechtswidrige Weise von Russland annektiert worden. Schon von daher hätte Russland eine besondere Verantwortung, hier Zurückhaltung zu üben.

Und beim Thema Militärmanöver wundert mich schon, dass jegliche Manöver der NATO in Polen und dem Baltikum von der Friedensbewegung durchaus kritisch gesehen werden, russische Manöver an der ukrainischen Staatsgrenze aber legitim sein wollen. Das überzeugt mich nicht.

„Es ist ein legitimes Sicherheitsinteresse Moskaus, dass die Osterweiterung der NATO, die seit 1999 immer näher an die russischen Grenzen heranrückt, nicht auch noch auf die Ukraine ausgedehnt wird. Das würde die Vorwarnzeit für Moskau bei einem Angriff mit Atomraketen auf 5 Minuten verkürzen.“

Dem ist aus meiner Sicht nicht zu widersprechen. Natürlich fällt uns auf die Füße, dass nach 1989 und dem Ende des Warschauer Paktes eben kein neues europäisches Sicherheitssystem auf Basis der OSZE entstand, sondern sich die NATO immer weiter nach Osten ausdehnte und das insgesamt nicht zu behaupten wäre, dass die NATO keine eigenen Machtinteressen vertreten würde.

„Die aktuelle Krise ist Teil eines globalen und seit längerem bestehenden Konflikts, dessen Wurzeln im Anspruch der USA liegen, „dass Amerika wieder die Welt führt,“ wie es der US-Präsident formuliert. Die europäischen NATO-Partner schließen sich dem mit einigen Nuancierungen als Juniorpartner an. Dagegen lehnen andere, darunter Russland, eine westliche Dominanz ab und wollen als gleichberechtigte Partner in einer multipolaren Weltordnung respektiert werden.“

Auch hier gibt es aus meiner Sicht eine doch recht einseitige Sicht auf die Lage in der Welt. Geopolitische Interessen verfolgen sowohl die USA, als auch Russland oder auch China. Auch die beiden letzteren wollen am Ende ihre Machtinteressen durchsetzen. Am Beispiel Russlands lässt sich das sowohl in Belarus oder auch in Kasachstan gerade aktuell beobachten und auch die Ukraine spielt hier eine Rolle. Ähnliches gilt für China. Insofern ist aus meiner Sicht hier auch ein kritischer Blick auf andere Staaten angebracht.

„Es ist an der Zeit, dass das Prinzip der ungeteilten, gemeinsamen Sicherheit wieder akzeptiert wird, wie es bereits im Kalten Krieg anerkannt wurde. Im Atomzeitalter kann keine Seite ihre Sicherheit auf Kosten der anderen erhöhen. Sicherheit gibt es nur gemeinsam. Dauerhafter Frieden mit Russland erfordert daher eine gesamteuropäische Friedensordnung.“

So ist es! Das setzt aber auch voraus, das würde ich vor allem Mitgliedern meiner Partei mit auf den Weg geben, dass wir eine solche gesamteuropäische Lösung dann auch mittragen und in Anbetracht unseres ungeklärten Verhältnisses zu Institutionen im allgemeinen, beschleichen mich hier doch Zweifel aber das Ziel ist natürlich vollkommen richtig.

„Erste Schritte müssen eine Demilitarisierung entlang der russisch-ukrainischen Grenze und an den Grenzen zwischen Russland und der NATO sein, sowie die Umsetzung des Abkommens von Minsk II. Es sieht einen Waffenstillstand vor, Dialog der Konfliktparteien und einen Sonderstatus der Regionen Donezk und Luhansk innerhalb der Ukraine. Durch einstimmigen UN-Sicherheitsratsbeschluss hat Minsk II auch verbindlichen Völkerrechtsstatus. Die Umsetzung wird jedoch hauptsächlich von der Ukraine blockiert. Sanktionen werden an dem Konflikt nichts ändern. Sie schädigen sinnlos sowohl Russland als auch die anderen europäischen Länder.“

Hier wird es nun richtig schräg, denn sinnvolle Forderungen werden mit einer einseitigen Schuldzuweisung beantwortet. Die Ukraine blockiert also die Umsetzung von Minsk II. Belege bleibt dieser Aufruf schuldig aber warum wird dann so argumentiert? Es reicht eine kurze Recherche im Netz, das das so nicht stimmt. Und aus meiner Sicht ist immer wichtig, darauf hinzuweisen, wo der Ursprung des Konfliktes liegt. Ja, es gibt ukrainischen Nationalismus, ja es gab und gibt Diskriminierungen der russischen Minderheit in der Ukraine aber all das wurde und wird begleitet mit einer massiven Einmischung Russlands in die inneren Angelegenheiten der Ukraine, mit der Annektierung der Krim und nicht zuletzt im Moment mit einem massiven Säbelrasseln. Hier kann ich mich des Eindrucks wirklich nicht mehr erwehren, dass es tatsächlich eben doch eher darum geht, Position zu beziehen.

„Kräfte, die mit aggressivem Nationalismus und Revanchismus die Spannungen anheizen, müssen auf allen Seiten zurückgedrängt werden.

Propagandakrieg, Säbelrasseln, Sanktionen und Aufrüstung müssen aufhören. Stattdessen brauchen wir Deeskalation und Diplomatie. Dies umso mehr, als die globale Bedrohung durch Klima- und Umweltkatastrophen nur durch internationale Kooperation abgewendet werden kann.“

So ist es, nur leider wird dieser Aufruf genau diesem Anspruch nicht gerecht, nicht im Detail jedenfalls.

„Wir fordern:

  • Konkrete Schritte zur Deeskalation, keine militärischen Lieferungen an Kiew,
  • Schluss mit Kriegsrhetorik, Konfrontationspolitik und Sanktionen gegen Russland;
  • Aktives Eintreten für die Umsetzung des völkerrechtlich verbindlichen Abkommens Minsk II;
  • Verhandlungen mit Russland auf der Grundlage eines klaren Bekenntnisses zu Entspannung und dem Prinzip der gemeinsamen Sicherheit;
  • Aktives Eintreten für Rüstungskontroll- und Abrüstungsverhandlungen.“

Interessant an diesen Forderungen ist, dass sich die Mehrheit der Forderungen an die NATO und die Ukraine richten aber nicht an Russland. Wäre nicht eine Bedingung, dass Russland seinen Truppenaufmarsch beendet und die Manöver einstellt. Das wäre ein aktiver Beitrag zur Entspannung. Und wo genau finde ich die Forderung, dass Russland die territoriale Integrität der Ukraine akzeptiert und die Krim verlässt.

Ich bin einig, dass es nicht sein kann, Russland zum Alleinverantwortlichen zu erklären, richtig ist auch die Forderung nach Verhandlungen, auch Russland hat legitime Sicherheitsinteressen, über die gesprochen werden muss und da war die NATO leider in der Vergangenheit kein verlässlicher Partner aber Verantwortung für den Konflikt liegt auf beiden Seiten und das wird aus meiner Sicht in diesem Aufruf nicht deutlich, weshalb ich für mich nur sagen, dass ich ihn nicht unterschreiben kann.

Immer noch irgendwie Wahnsinn – mein erster Mammutmarsch.


Vor drei Wochen bin ich in eines der größten Abenteuer gestartet, das ich in meinem Leben so hatte. Ich gebe zu, dass ich gar nicht lange darüber nachgedacht habe als mich Ron Ende 2019 fragte, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm einen Mammutmarsch in Berlin zu absolvieren. Ich war damals mitten in der Vorbereitung auf meinen ersten Marathon und insofern waren genug Gehirnzellen stillgelegt, die mich bremsen oder stoppen hätten können.

Die Vorbereitung

Ich sah mir das eine oder andere Video auf Youtube an und dachte mir, o.k.: Ziemlich verrückt aber irgendwie auch geil. Allerdings kollidierte der Mammutmarsch 2020 mit meinen Marathonplänen, so dass klar war, dass ich das 2020 nicht angehen kann.

Corona brachte dann unser aller Leben ziemlich durcheinander und so warte ich noch immer auf mein Marathondebüt, was aber wirklich eine andere Geschichte ist. Corona führte auch dazu, dass der Mammutmarsch 2021 vom Frühjahr auf den Herbst verschoben, so dass ich scheinbar noch mehr Zeit für die Vorbereitung hatte.

Aber wie bereitet mensch sich auf einen 100 Kilometer Marsch vor? Ich für mich war da ziemlich beruhigt. Bei Laufumfängen von mehr als 50 Kilometer in der Woche machte mir das weniger Sorge. Aber wie ist das lange Gehen am Stück und was passiert nachts?

Vorgenommen hatte ich mir als Vorbereitung drei längere Wanderungen, davon eine für die Nacht, einfach, um für mich zu testen, wie ich damit umgehe, auch bei Müdigkeit zu laufen. Zwei davon bin ich gelaufen, einmal von Erfurt nach Weimar etwas über 30 Kilometer und von Eisenach nach Erfurt etwas über 50 Kilometer.

Ich wusste ja, dass der Marsch in Berlin vom Höhenprofil eher flach sein wird. Mir ging es vor allem darum, längere Strecken zu laufen um zu testen, wie ich das so aushalte. Beide Testläufe liefen sehr gut, nervig war, dass ich mir Strecken ausgesucht hatte, die oft über landwirtschaftliche Wege gingen und dadurch schlauchten und es ist auch was anderes, fünf bis acht Stunden ganz allein zu laufen. Trotzdem waren das gute Tests, auch für den Kopf.

Vorgenommen hatte ich mir noch einen Nachtmarsch, einfach um zu schauen, wie ich durch die Nacht komme, ohne Schlaf nach einem normalen Tag. Leider hat das nicht geklappt. Im Nachhinein kann ich aber sagen, dass sich das überhaupt nicht nachteilig erwiesen hat.

Die Ausrüstung

Zweites Thema bei einer so langen Tour ist natürlich die Frage, welche Ausrüstung mensch braucht. Das beginnt bei den Schuhen. Ich habe mich aufgrund des Höhenprofils und der Strecke dafür entschieden, meine Laufschuhe zu tragen. Ich wusste, dass die einfach perfekt sitzen, auch bei längeren Läufen nicht drücken und gerade auf Asphalt ideal sind. (Später haben wir auf der Strecke Leute getroffen, die selbst in Flipflops unterwegs waren…) Natürlich ist der Rucksack ein wichtiges Thema. Ich habe einen 30l-Rucksack von Tomshoo genutzt mit einer Trinkblase für zwei Liter. Ideal an dem Rucksack sind die kleinen Seitentaschen für Lampe und Kleinzeug und eine Handytasche vorn. Der Rucksack muss halt so sein, dass er auch nach 20 Stunden noch gut zu tragen ist. Dann hatte ich dabei Wanderstöcke, ein paar Riegel, Hirschtalgcreme, Schmerztabletten, Blasenpflaster, Ersatzaku, Stirnlampe. Bei den Klamotten hatte ich eine Wanderhose an, ein Shirt und eine sehr leichte Jacke. Im Rucksack war warme Funktionswäsche, eine Fließjacke und Socken zum wechseln. Ich muss sagen, dass ich die Funktionswäsche auch nachts nicht gebraucht habe. Aber Vorsicht: Wir hatten zwar keinen Regen aber gerade, wenn man sich nicht bewegt, wird es schnell kühl und der Kreislauf spielt Achterbahn, mir ging es jedenfalls so.

Bei der Verpflegung ist ja jede/jeder anders. Ich habe mich sehr auf die Verpflegungspunkte verlassen und hatte nur was für den Hunger zwischendurch dabei, aber auch das habe ich nicht aufgegessen. Insgesamt hätte ich beim Gepäck noch sparen können, denke ich. Ich kann nur allen raten, Rucksack und Schuhe vorher zu testen. Aus meiner Sicht sind das die beiden Utensilien, bei denen die böse Überraschung im Zweifel am größten ist.

Ideal war die Wanderhose, die leicht und trotzdem warm genug war.

Ein Wort zu den Socken. Ich habe zwei Paar Socken getragen. Um Blasen vorzubeugen trug ich zweilagige Wrightsocks, die sich für mich super bewährt haben und in der Nacht habe ich darüber dann noch etwas dickere Socken gezogen. Beide Füße waren dick mit Hirschtalg eingecremt und wir haben bei jedem Verpflegungspunkt, die Schuhe und Socken ausgezogen und die Füße versorgt mit Talg und später auch mit dem unvermeidlichen Blasenpflaster.

Die Wanderung

Dann war es soweit. Am 2. Oktober, 14.30 Uhr ging es los. Ron und ich hatten uns für die letzte Startgruppe entschieden, weil wir so fit wie möglich in die Nacht laufen wollten. Wir hatten einen sonnigen Tag erwischt aber eben auch nicht zu warm. Die ersten Kilometer von Spandau in Richtung Potsdam gingen wir in einer doch recht großen Gruppe. Immer wieder ließ sich mit anderen plaudern und dadurch vergingen die ersten Kilometer wie im Flug. Ich hatte zu Beginn ziemliche Sorgen, ob mein Sitzbein durchhält, das mich ja seit Wochen nervte und dazu führte, dass ich faktisch kein Lauftraining in Belastung machen kann. Aber es hielt und schnell und ich war mir bald recht sicher, dass das nicht das Problem sein wird.

Erstaunt war ich, mit welcher Ausrüstung sich manche Wander:innen so auf den Weg machen. Mehrfach fragte ich mich, wie Leute in den Schuhen, die ich so sah wirklich 100 Kilometer schaffen wollen oder auch mit einem Rucksack, der fast in den Kniekehlen hing.

Nach 17 Kilometern kam der erste Verpflegungsstützpunkt (VP). Aufgrund von Corona war das eigene Geschirr Vorschrift und ich finde, das kann auch Standard werden, es spart einfach Müll. Das erste Mal raus aus den Schuhen, die Füße eincremen, die Trinkblase auffüllen und schon ging es weiter.

Die nächste Etappe brachte uns nach Potsdam und langsam wurde es dunkler und dunkler. Mir war gar nicht klar, wie viele Kilometer sich in Potsdam so weglaufen lassen, muss ich sagen. Faktisch ging es einmal um die Stadt herum, bis wir bei Kilometer 39 an VP 2 im Luftschiffhafen ankamen. Wieder Schuhe aus, die Füße versorgen und essen und trinken. Übrigens habe ich wirklich Hochachtung, vor all den Menschen, die diesen Marsch unterstützen, ob als Helfer:innen des DRK, bei der Ausgabe von Getränken und Essen oder in der Logistik. Respekt. In Potsdam bekam ich dann auch mit, dass doch einige dort ausstiegen und bei manchen musste ich nur die Füße sehen und wusste: O.K., das wird nichts. Wir waren immer noch gut drauf und nach 30 Minuten ging es weiter, nun Richtung Havelland.

Ab Potsdam habe ich dann auch meine Wanderstöcke benutzt und ich muss sagen, das hilft ungemein, die Belastung ein wenig geringer zu halten. Der Weg bis Marquardt zog sich, wie ich fand, vor allem als wir an einen Kanal kamen und uns auf der anderen Seite die Stirnlampen entgegenkamen. Nun hatten wir aber die Hälfte hinter uns und noch immer ging es uns gut. VP 3 war bei Kilometer 57 und hier merkte ich das erste Mal, dass es die Kraft langsam nachließ. Mein Kreislauf meldete sich und spielte kurz verrückt. Innerlich warm aber draußen war es doch kühl, also Fließjacke an und dann ging es auch schon weiter.

Die Etappe der Qualen kam auf mich zu. Zwischen VP 3 und 4 war ich wirklich down. Und nein, es war nicht die körperliche Anstrengung. Ich kämpfte mit meinem Kopf. Dabei war aufgeben nie eine Option aber es war schon ein Kampf und wenn ich die Bilder von mir sehe, dann weiß ich ganz genau, dass ich aber so gar keinen Bock mehr hatte, weiterzulaufen.

Und dann kam Elstal, der letzte VP bei Kilometer 78. Was ein Nutellabrot bewirken kann… Ich war wie ausgewechselt. Ja, Blasen waren da, eine fiese auf dem Fußballen aber ich hatte überhaupt nicht mehr das Gefühl, dass ich es nicht schaffen kann. Ron schwächelte jetzt emotional etwas aber es war ja nicht mehr weit und der Sonntagmorgen war wunderbar.

Eins muss ich aber bei der Gelegenheit loswerden: Liebe Leute, könnt ihr bitte euren Müll mitnehmen, den ihr unterwegs hinterlasst. Wieviel Verpackungen von Riegeln ich gesehen habe und was mitunter sonst noch. Das geht gar nicht! Wo ist das Problem, seinen Müll bis zum nächsten VP mitzunehmen und da zu entsorgen? Ihr riskiert, dass solche Veranstaltungen nicht mehr stattfinden können und das ist einfach Mist.

Die letzten Kilometer, ja, jede Treppe tut jetzt weh aber wir sind wieder in Berlin und das in deutlich weniger als 24 Stunden. 22 Stunden und 20 Minuten stehen am Ende auf der Uhr. Strava wirft als reine Gehzeit 19 Stunden und 12 Minuten aus, sprich, wir haben uns drei Stunden Pausen gegönnt. 5,2 km/h war unser Laufschnitt oder eben 11:32 pro Kilometer. Wir sind fertig und glücklich und glücklich und fertig. Was für ein Wahnsinn.

Wir hatten uns vorher geschrieben, dass wir uns nach dem Lauf hassen oder lieben werden. Wir hassen uns nicht, es war wunderbar harmonisch, wir haben es immer hinbekommen, aufeinander zu achten, den anderen im richtigen Moment zu ziehen aber wir haben uns auch Luft gelassen. Gemeinsam haben wir eine riesige Herausforderung gemeistert.

Also danke an Ron für diese Idee!

Warum hast du dir das angetan?

Das war die häufigste Frage von Freund:innen. Warum hast du das gemacht? Ehrlich: Ich weiß es nicht genau. Mich hat die Herausforderung gereizt an meine eigene Grenze zu gehen und im Nachhinein muss ich sagen, dass ich nie an einer wirklichen Grenze war. Ich habe nicht gelitten, ich musste auch keinen großen Kampf austragen. Ja, ich hatte Tiefs, stimmt, ja, allein hätte ich irgendwann gesagt. Ne, ich muss mir das nicht geben. Aber so war es ein riesiges Erlebnis, ein kleines Abenteuer und es hat Spaß gemacht. Ich muss mir nichts beweisen aber ich habe mir was bewiesen. Vielleicht ist es am Ende das…

Und was kommt jetzt?

Das ist wohl die schwierigste Frage. Seit Wochen kann ich nicht normal laufen. Immer wieder habe ich Schmerzen, eine Belastung unmöglich. Wenn ich etwas wirklich nicht habe, dann ist das Geduld. Ich würde gern wieder laufen, ich würde gern wieder mal richtig auspowern aber es geht nicht. Mein linkes Bein sagt mir sehr schnell, wenn ich es übertreibe. Drei Monate brauche ich wohl, so der Doc. Das hieße, dass ich im Januar wieder einsteigen kann und dann ist doch bald der Marathon in Düsseldorf, der mein nächstes großes Ziel ist. Da hilft wohl wirklich nur Geduld…

Und, lieber Ron, wie wäre es mit der Horizontale in Jena im Mai 😊

Und solange freuen wir uns über den filmischen Rückblick.

Dieses Land braucht eine starke LINKE – Bewerbung für den Erweiterten Landesvorstand der LINKEN Thüringen


Liebe Genossinnen und Genossen,

ich habe mich dazu entschlossen, auf der 1. Tagung des 8. Landesparteitages der LINKEN Thüringen für den erweiterten Landesvorstand zu kandidieren. Für mich war das keine einfache Entscheidung und ich würde ich gern die Gedanken mitgeben, die ein wenig das Für und Wider meiner Kandidatur abwägen und die euch eine Hilfe sein können, zu entscheiden, ob ihr mir euer Vertrauen geben könnt oder vielleicht auch nicht.

Ich bin am 7. März 1990 Mitglied der PDS geworden. Als ich damals die Kreisgeschäftsstelle der PDS in meiner Heimatstadt Cottbus betrat, da stapelten sich im Büro des damaligen Kreisvorsitzenden die zurückgegebenen SED-Parteidokumente und ich glaube, Menschen, die wie ich, damals den Weg in die PDS fanden, war kleine Exot:innen. Aber: Und das war das Wunderbare: Wir bekamen unheimlich viel Raum in dieser Partei, Fehler zu machen, auf den Tisch zu hauen, Unsinn zu erzählen und immer gab es Genoss:innen um uns herum, die mit uns diskutierten, die die Auseinandersetzung suchten und die immer sagten: Ob es die Partei in Zukunft noch gibt, das wird an euch liegen. Eine Partei, die damals ihren Platz suchte. Eine Staatspartei auf dem Weg zu einer demokratischen Oppositionspartei aber immer noch tief verwurzelt in der DDR-Gesellschaft. Diese Partei ging den Weg der Erneuerung in der ständigen öffentlichen Auseinandersetzung um ihre Verantwortung für die Geschichte der DDR. Ich habe damals viel Respekt vor Menschen gewonnen, die an den real existierenden Sozialismus geglaubt haben, die sich nicht für unfehlbar hielten und die eine ganz wichtige Eigenschaft hatten: Sie waren nah an den Menschen und ihren Sorgen und Nöten. Ja, wir wurden an den Infoständen 1990 beschimpft und sind wieder gekommen und irgendwann hatten die, die schimpften Fragen an uns und wir waren da. Mir scheint, dass wir 30 Jahre später ab und an zu sehr über die Menschen als mit ihnen reden.

Junge Menschen, wie ich, hatten es damals sehr leicht, „Karriere“ zu machen. Im Mai 1990 wurde ich in die Cottbuser Stadtverordnetenversammlung gewählt. Am 17. Juni 1990 gründete sich der Landesverband Brandenburg der PDS und ich wurde in den Landesvorstand gewählt, ein halbes Jahr später war ich mit 20 Stellvertretender Landesvorsitzender, blieb es 8 Jahre und konnte unheimlich viel lernen. Wie funktioniert Opposition, die konsequent ist und zugleich immer realpolitisch. Für uns war es nie eine Frage, dass wir nicht regieren wollten, es stand bis 1999 in Brandenburg nur in der politischen Realität nie zur Debatte.

1999 verließ ich den Osten, landete in Kiel und erlebte eine ganz andere PDS. Klein, unbedeutend und leider vor allem mit sich beschäftigt. Ich kam da nicht an. Wenn ich meinte, es wäre sinnvoll, sich mit der Ansiedlung von IKEA und den Folgen zu befassen, brannte im Kreisverband gerade die Hunderste Nahost-Debatte… Es war frustrierend und ich verlor langsam den Kontakt zu meiner Partei.

Erst die Fusion mit der WASG zur LINKEN, die ich in Köln erlebte, brachte einen neuen Aufschwung. Plötzlich waren wir deutlich mehr Mitglieder, plötzlich saßen wir im Rat, plötzlich ging es um unsere Stimmen bei Entscheidungen und wir mussten uns entscheiden. 2007 wurde ich Kreissprecher der Kölner LINKEN und blieb es 7 Jahre. Eine wahnsinnig aufregende Zeit. Wir zogen in den Landtag NRW ein und flogen wieder raus. Wir hatten am Ende in Köln fast 1.000 Mitglieder. Bei allem Streit hat Politik in der Kölner LINKEN immer Spaß gemacht und was ich im Rheinland gelernt habe und für einen Brandenburger durchaus eine neue Welt war: Politik darf Spaß machen. Man kann mit Genoss:innen die grandiosesten Karnevalsparties feiern und am nächsten Tag wieder kräftig streiten. Hauptsache: „Mir sin Kölle und mir stän zusamme!“ Solidarität miteinander. Übrigens gerade jetzt, wo eine Kölner Genossin von uns in der Türkei festgehalten wird, weil sie für das Selbstbestimmungsrecht der Kurd:innen kämpft.

In dieser Zeit habe ich in der Bankenaufsicht gearbeitet, Bankenkrise erlebt und kann seit dem sagen: Was soll mich noch aus der Ruhe bringen.

2012 dann der berufliche Bruch: Ich wurde Fraktionsgeschäftsführer der LINKEN in Hamburg und kam in eine, aus meiner Sicht, völlig chaotische Fraktionsgeschäftsstelle, wo alle alles machten, alle ein großes Kollektiv waren aber darin auch immer ein wenig Unverantwortlichkeit steckte. Ein wunderbar (im positiven Sinne) bunter Haufen aus Ex-SPD, Ex-GAL, PDS, Autonomen, hochpolitisch aber eben immer auch an den realen Themen dran. Ich glaube, ich durfte in diese Diversität etwas Struktur bringen und immerhin 2015 kam DIE LINKE gestärkt in die Bürgerschaft.

Zeit eines erneuten Wechsels. Ein Jahr Sachsen-Anhalt. Ein Jahr Wahlkampf mit einem ernüchternden Ergebnis, dem Absturz der eigenen Partei und dem Aufstieg der AfD. Ein bitterer Wahlabend und die Erkenntnis. Wir haben eine Herausforderung und keine Antworten.

In diesen zwei Jahren war ich Mitglied im Parteivorstand der LINKEN. Dort, ich muss das so sagen, habe ich mich nicht wohlgefühlt. Sich präsentieren und unbedingt beweisen, recht zu haben, das liegt mir nicht. Da fanden keine Debatten statt, sondern es wurden Referate gehalten und immer ging es um Mehrheiten, knappe Mehrheiten und meist ging es dabei inhaltlich um nicht wirklich viel.

2016 überzeugte mich der Genosse Hoff nach Erfurt zu kommen und seitdem bin ich hier. Drei Jahre durfte ich das Büro von Bodo in der Staatskanzlei leiten. Ich habe in dieser Zeit unheimlich viel gelernt und ja das war nicht immer leicht. Wir haben einen Ministerpräsidenten mit großem Anspruch an sich und sein Team aber am Ende haben wir einen Wahlsieg eingefahren, an den ich nicht geglaubt hätte, ich gebe es zu. Warum? Über 30% der Menschen in Thüringen haben gesagt: Ihr sollt dieses Land führen. Ihr macht nicht immer alles richtig aber ihr geht den richtigen Weg und ihr habt einen überzeugenden Spitzenkandidaten. Und noch etwas: Wir waren nicht immer einer Meinung aber wir waren ein Team!

Was dann geschah, muss ich hier nicht ausführen. Seit dem 4. März 2020 bin ich Staatssekretär im Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft und ich habe mir vorgenommen, zuzuhören, Menschen mitzunehmen und einzubinden, bevor wir entscheiden. Und ja, mir macht diese Arbeit Spaß, bei allen Herausforderungen. Ich habe dabei für mich gelernt, dass ich Positionen vertreten kann, die nicht allen gefallen und trotzdem zuhören. Es kann dabei emotional werden und auf dem Acker und im Wald wird es oft emotional aber klare Ansagen helfen, den Respekt voreinander zu stärken. Nahe dran zu sein, heißt für mich, dass der Staatssekretär ansprechbar ist und bleibt und alle, die sich an ihn wenden, auch Antwort bekommen. Nicht immer, die sie wollen, aber eben Antwort.

Seit Januar 2021 bin ich Mitglied im Kreisverband Wartburgkreis-Eisenach, in der wunderbaren Basisgruppe Altensteiner Land. Mir ist der Abschied von meinem alten Kreisverband durchaus schwer gefallen und trotzdem finde ich, dass es auch Pflicht von Menschen in meiner Funktion ist, der Partei etwas zurückzugeben. Und was sind da für wunderbar anstrengende Menschen im Westen Thüringens. Die streiten, dagegen war der Kölner Kreisverband ein Hort des Friedens und die feiern aber auch miteinander. Ich habe mich von Beginn an wohlgefühlt.

Und nun also Kandidatur für den Landesvorstand. Warum?

Ich kann meine Erfahrung aus 30 Jahren Parteiarbeit in Ost und West einbringen. Ich würde gern dazu beitragen, dass wir uns darauf besinnen, warum wir alle in der LINKEN sind und was uns gemeinsam ausmacht: das Streiten für eine solidarische und gerechte Gesellschaft, das Engagement für die Menschen um uns herum. Aber das beginnt eben sehr konkret bei uns selbst. Niemand wird uns zutrauen, dass wir eine solidarische Gesellschaft wollen, wenn wir selbst zuweilen hoch unsolidarisch miteinander umgehen. Aber ich will auch sagen: Die eiskalten Machtmenschen in der der Thüringer LINKEN, ich habe sie noch nicht gefunden!!!

Ich möchte, dass wir uns entscheiden, was wir für eine Partei sein wollen. Ob es uns ernsthaft darum geht, diese Gesellschaft zu ändern, ganz konkret in all ihren Widersprüchen oder ob wir das eher so theoretisch auf dem Zettel haben. Für letzteres bin ich nicht zu haben.

Ich möchte, dass wir uns streiten aber eben auch Entscheidungen treffen, ob nun zum BGE, zur Regierungsfrage oder zur NATO. Mich nervt es, dass wir zu oft meinen, nicht entscheiden zu müssen.

Ich will, dass wir eine Partei bleiben, in der viele Positionen ihren Platz haben und in der Diversität und Pluralität auch nach innen gelebt wird. Die Härte, die wir in der Auseinandersetzung miteinander pflegen, die ist mir völlig fremd.

Und thematisch: Nun ja, ich stehe für die Themen des Ministeriums, in dem ich arbeite. Wir sind im besten Sinne ein Heimatministerium. Entwickeln wir gemeinsam ländliche Räume, sorgen wir für ausreichend bezahlbaren Wohnraum, bauen wir unsere Wälder um, sorgen wir für einen guten ÖPNV und sorgen wir insgesamt für die entsprechenden Rahmenbedingungen.

Das kann ich anbieten! Wir werden uns in den nächsten zwei Jahren sowohl auf das Jahr 2024 inhaltlich, personell und organisatorisch vorbereiten müssen und wir werden auf dem Weg dahin ständig vor großen Herausforderungen stehen, die wir meistern müssen. Wir brauchen dazu junge Leute mit viel Mut und Selbstbewusstsein und wir brauchen sicher auch die Lebenserfahrung von Menschen wie mir, die schon einiges erlebt haben. Ich würde mir wünschen, dass der Thüringer Landesvorstand nach dem Parteitag im besten Sinne eine bunte Truppe ist und ich wäre gern ein Farbklecks darin.

Euer Torsten Weil.

Laufen in Zeitden der Pandemie


Es wird mal wieder Zeit für einen kleinen Blogbeitrag zum Thema „Laufen“. Im Juli 2019 hatte ich das letzte Mal was dazu geschrieben und ein bisschen muss ich dann doch schmunzeln, wenn ich lese, worin damals meine Ziele lagen und was dann wirklich passierte.

Aber der Reihe nach. Das Jahr 2019 verlief lauftechnisch ja ziemlich durchwachsen. Beim WHEW gelang mir eine neue Bestzeit über 10 Kilometer 50:47 Minuten, dafür ging der Halbmarathon in Luxemburg ein wenig in die Hose. Aber nach dem Motto: „Aufstehen, Nase putzen und weitermachen“ hatte ich mir damals ein großes neues Ziel gesetzt. Über einen Halbmarathon in Beirut bestand mein großes Ziel daran, meinen ersten Marathon zu finishen, bevor ich mein 50. Lebensjahr vollende.

Den Dom immer im Blick

Für mich war das ein sehr reizvolles Ziel, eines, an dem ich gern und strukturiert arbeiten wollte und das ich gemeinsam mit meinem Laufcoach Adrian anging. Aber wie das manchmal so ist mit Zielen, das reale Leben schreibt doch ganz andere Geschichten.

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Viele reden – Thüringen handelt. Ein Diskussionsbeitrag zum Waldumbau.


  1. Wir müssen handeln

Die Folgen des Klimawandels sind in vielen Lebensbereichen spürbar. Selbst in diesem Frühjahr, das uns durchaus kühl und nass vorkam, wurde das langfristige Mittel an Niederschlägen nicht erreicht. Wetterextreme nehmen und all das trifft auch die Wälder in unserem Land.

Im Waldzustandsbericht von 2020 lassen sich die Fakten nachlesen. Nur noch 15% der Bäume in Thüringen gelten als gesund. Wer wachen Auges durch Thüringen wandert, wird immer wieder auf große Kahlflächen treffen, wird Bäume sehen, denen anzusehen ist, dass sie leiden. Auf vielen Waldflächen sind Kahlflächen entstanden – insgesamt bereits rund 34.000 Hektar, das entspricht 6,5 % der Thüringer Waldfläche oder einem Gebiet so groß wie Erfurt und Weimar zusammen.

Trockenheit, Hitze und Schädlinge der vergangenen Jahre führten zu einem Schadholzaufkommen in Thüringens Wäldern von bisher unbekanntem Ausmaß – von 2018 bis 2020 12,5 Mio. Festmeter Schadholz, davon sind 85 % Nadelholz (insbesondere Fichte) und 15 % Laubholz (insbesondere Buche).

Die Waldböden waren teilweise bis in tiefere Schichten ausgetrocknet und die Bäume litten unter latentem Wassermangel. Zum Glück scheint sich die Lage in diesem Jahr durch den bis jetzt regelmäßigen Regen und die kühlen Temperaturen etwas zu entspannen.

Zwar ist der Wald in Thüringen in den letzten 30 Jahren laubbaumreicher, gemischter, älter, holzvorratsreicher und naturnäher geworden, der Klimawandel bedroht aber diese forstpolitischen Erfolge der vergangenen Jahre.

2. Wir haben einen Plan – Thüringer Aktionsplan Wald 2030

Deshalb hat die Landesregierung frühzeitig mit dem im August 2019 beschlossenen Aktionsplan „Grünes Herz Thüringen“ auf das komplexe Waldschadensgeschehen reagiert. Thüringen sieht es als wichtigste Aufgabe an, die vielfältigen klimatischen, ökologischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Funktionen der Wälder zu erhalten.

Der Aktionsplan Wald 2030ff formuliert ein langfristig wirksames, ressortübergreifendes Bündel an Maßnahmen, mit dem der Wald in Zeiten des Klimawandels und für die kommenden Generationen zukunftssicher entwickelt wird. 500 Millionen Euro sollen für den Aktionsplan in den nächsten Jahren aktiviert werden. Mit Blick auf die engen haushaltspolitischen Spielräume ist das ein enormer Betrag.

Aber klar ist auch: Wälder sind komplexe und langfristig ausgerichtete Systeme, die Maßnahmen, die wir jetzt ergreifen, können und werden ihre Wirkung erst in etlichen Jahren entfalten können. Und genau deshalb wird es darauf ankommen, die vereinbarten Maßnahmen und Ziele auch immer wieder zu überprüfen und anzupassen

Mit der Umsetzung vieler Maßnahmen aus dem Aktionsplan Wald 2030 wurde bereits begonnen und auch erste Ergebnisse sind sichtbar:

  • Die Zahl der Waldmessstationen für das Umweltmonitoring wurde auf 15 erhöht und das erfasste Datenspektrum ausgeweitet.
  • Drohnen werden eingesetzt und Satellitendaten ausgewertet, um Schadflächen und die Baumvitalität besser bewerten zu können.
  • Zum schnelleren Transport des Schadholzes aus dem Wald wurde die Tonnageerhöhung für LKW von 40t auf 44t bis Ende 2020 verlängert.
  • Im Thüringer Waldgesetz wurde die Schaffung standort- und klimastabiler Wälder als Aufgabe festgelegt.
  • Im Umfeld von Schadflächen soll Schalenwild wirksam bejagt werden.
  • Die Wiederaufforstungsfrist wurde auf 6 Jahre verlängert, um an geeigneten Standorten eine Wiederbewaldung durch Naturverjüngung zu ermöglichen anstatt teure Pflanzungen umzusetzen.
  • Um Waldbrände in Thüringen zu begegnen, werden Feuerlöschteiche in Waldgebieten saniert und die Forstämter mit Material zur Waldbrandbekämpfung ausgestattet.
  • Die Thüringer Bauordnung (ThürBO) wurde überarbeitet, um klimafreundliches Bauen mit Holz zu erleichtern. Die ThürBO wurde dem Thüringer Landtag zur Beschlussfassung vorgelegt.
  • Bei Bautätigkeiten des Freistaats soll zudem verstärkt Holz als Baustoff eingesetzt werden, um eine Vorbildwirkung zu erzielen.
  • Für die Feuerwehren wurden Fortbildungen zur Waldbrandbekämpfung und Löschübungen durchgeführt. Das Thüringer Innenministerium hat ein Handbuch zur Vegetationsbrandbekämpfung veröffentlicht.
  • Beide Polizeihubschrauber in Thüringen sind für die Waldbrandbekämpfung einsetzbar.
  • Derzeit wird die Thüringer Katastrophenschutzverordnung überarbeitet, um den Katastrophenschutz auch für die Bekämpfung von Waldbränden einsetzen zu können.

Zudem gibt es zwei weitere wichtige Meilensteine, um die Zielstellungen des Aktionsplanes zu erreichen:

3. ThüringenForst zukunftsfest aufstellen

Nicht nur die Wälder, auch jene, die sich im Wald wirtschaftlich betätigen leiden unter den Folgen des Klimawandels. Ca. 200.000 ha Wald stehen im Eigentum von ThüringenForst und damit im Eigentum des Freistaats Thüringen, also etwa ein Drittel der gesamten Waldfläche Thüringens. Schon seit 2014 hat die Landesregierung den unter den Vorgängerregierungen verfolgten Stellenabbaupfad beendet und es steht wieder mehr Personal zur Verfügung, um die Aufarbeitung der Waldschäden, die Wiederbewaldung und den Waldumbau mit aller Kraft voranzubringen. Unser Ziel ist es, die Landesforstanstalt als organisatorischer Dreh- und Angelpunkt der Umsetzung des Aktionsplans finanziell und personell gestärkt.

So stehen jetzt jährlich über 30 Mio. € für die hoheitlichen Aufgaben, insbesondere der aktiven fachlichen Unterstützung der privaten und kommunalen Waldbesitzenden zur Verfügung. Zudem erhält die Landesforstanstalt in den Jahren 2021 bis 2036 11 Mio. € pro Jahr zusätzlich, um den notwendigen Waldumbau in allen Waldeigentumsformen umzusetzen, also in Summe 165 Millionen Euro. Damit ist auch sichergestellt, dass ThüringenForst die notwendigen Mittel hat, um die nötigen Waldumbaumaßnahmen über den gesamten Zeitraum zu begleiten.

Das versetzt ThüringenForst in die Lage, den Waldumbau konkret zu begleiten und zwar durch:

  • Entwicklung konkreter Konzepte zum Waldumbau,
  • Erweiterung von Versuchsflächen, um waldbauliche Empfehlungen abzuleiten,
  • Sicherung der unabdingbaren Dokumentation und Erfolgskontrolle,
  • Beratung der privaten und kommunalen Waldbesitzenden über ökologisch notwendige Maßnahmen zum Waldumbau sowie bei der Umsetzung und Abrechnung von Fördermaßnahmen,
  • Sicherstellung der Saatgutgewinnung als Basis der Wiederbewaldung ,
  • Umsetzung beispielgebender Waldumbauvorhaben im Staatswald und
  • Schaffung von Demonstrations- und Lernflächen zur Wiederbewaldung von Schadflächen für eine verbesserte Klimaresilienz der Wälder

4. Förderung der Waldbesitzenden

Neben der Unterstützung für Thüringen Forst ist es aber auch von entscheidender Bedeutung, die kommunalen und privaten Forstbetriebe in Thüringen besser finanziell zu unterstützen. Dabei bleibt die wichtigste Aufgabe, zunächst die Waldschäden zu beseitigen. Hierbei ist das Land auf die Unterstützung der insgesamt 180.000 Waldbesitzenden in Thüringen angewiesen. Thüringen ist durch sehr kleinteilige Eigentumsstrukturen im Wald charakterisiert. Bei allem Bestreben, durch die Gründung von Forstbetriebsgemeinschaften und Waldgenossenschaften wirtschaftlichere Strukturen zu schaffen, sind doch viele private Waldbesitzende von der Aufgabe der Kalamitätsbekämpfung schlicht erschlagen. Aber nur gemeinsam mit den privaten und kommunalen Waldbesitzenden haben wir eine Chance, den Schädlingsbefall erfolgreich einzudämmen und die Wälder gegen den Klimawandel zu wappnen. Für diese landesbedeutsame Aufgabe brauchen die Forstbetriebe finanzielle und logistische Hilfe. Deshalb stellt die Thüringer Landesregierung über zwei Förderrichtlinien für zahlreiche forstwirtschaftliche Maßnahmen seit 2020 jährlich nahezu 20 Mio. Euro für die Waldbesitzenden bereit. Zudem haben wir die projektbezogene Förderung um ein weiteres Instrument erweitert und ergänzt.

5. Förderung der Ökosystemleistungen von Wäldern

Ab Anfang Juni wird die bestehende Förderung sogar noch um eine dritte Richtlinie ergänzt. Thüringen geht als erstes und bisher einziges Bundesland den Weg, Ökosystemleistungen von Wäldern unter besonderer Berücksichtigung der CO2-Bindungsleistung sowohl von Wäldern als auch des umweltfreundlichen Rohstoffes Holz monetär abzugelten. Honoriert werden bewirtschaftete Waldbestände mit hohem Laubbaumanteil und besonders nachhaltiger, zertifizierter Bewirtschaftung – Anreizsystem für Wälder mit besonders hoher Klimaschutzfunktion und zwar mit bis zu 125,- € je Hektar. Der Freistaat nimmt hier eine Vorreiterrolle ein und befördert die entsprechende Diskussion auf Bundesebene. Es stehen in 2021 insgesamt 15 Mio. € bereit, die als Flächenprämie zur Erhaltung der Klimaschutzleistungen an die Forstbetriebe ausgezahlt werden können.

Das Instrument einer flächenbasierten Förderung ist neu und wir werden das Jahr nutzen, um Erfahrungen mit diesem Instrument zu sammeln. Wir sind bemüht, das Antragsprozedere so unbürokratisch wie möglich zu gestalten. Formale Fördervoraussetzung ist vor allem die Mitgliedschaft in der Berufsgenossenschaft. Die meisten Nachweise müssen zunächst nur als Eigenerklärung beigebracht werden.

Thüringen ist insgesamt sehr gut aufgestellt. Ich bin sicher, dass wir gewappnet sind, die Herausforderungen aus Gegenwart und Zukunft anzunehmen und die Wälder in Thüringen zu erhalten. Wir wollen das Grüne Herz Thüringens bleiben und arbeiten aktiv daran.

Was verdient eigentlich ein Staatssekretär – Ein Beitrag zur Transparenz


Nun ist es nicht das erste Mal, dass mir auf Facebook oder Twitter Merkwürdigkeiten über den Weg laufen. In der letzten Woche war es wieder einmal so weit und ich habe mich durchaus darüber geärgert. Dabei war das ganze wirklich eine Belanglosigkeit, die nicht der Rede wert ist.

Vor einigen Tagen jährte sich meine Berufung zum Staatssekretär im Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft. Ein Jahr, eine neue Herausforderung in jeder Hinsicht, ein neues Themengebiet, in das ich hineinfinden musste, ein neues Umfeld, neue Kolleg*innen und natürlich ein Jahr Leben und Arbeiten unter Pandemiebedingungen. Gerade letzteres trifft ja auf alle Menschen zu, manche trifft es sehr viel einschneidender, andere kommen an sich gut durch die Zeit. Aber all das wäre wirklich einen eigenen Beitrag wert und darum soll es heute nicht gehen.

Nach einem Jahr Amtszeit als Staatssekretär, verbeamtet auf Probe, wurde ich nun nach bestandener Probezeit zum Lebenszeitbeamten ernannt. Für mich war das bereits die zweite Verbeamtung auf Lebenszeit. Ziemlich genau vor 15 Jahren am 21. Februar 2006 wurde ich in der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in anderer Laufbahn beim Bund zum Beamten auf Lebenszeit ernannt, bis ich eben am 4. März 2020 aus dem Bundesbeamtenverhältnis entlassen wurde, um in den Thüringer Landesdienst zu wechseln.

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Ein Zwischenruf zu moralischen Zeigefingern


Da ich privat kein iphone nutze, habe ich noch nicht einmal theoretisch die Chance, eine Einladung zum neues Social Media Hit #Clubhouse zu erhalten. Mensch mag mir daher nachsehen, dass ich vollkommen ahnungslos bin, was da passiert, wie Debatten dort ablaufen, was zu beachten ist und wie die Netiquette dort ist.

Nun haben die ersten Politiker*innen den Weg ins #Clubhouse gefunden und stellen sich den Gesprächen/Debatten dort. Ich war überhaupt nicht verwundert, dass Bodo Ramelow zu den ersten Akteur*innen aus dem politischen Raum gehört, die sich auch in dieses Medium trauen. Schon lange nutzt er Medien wie Facebook und Twitter auch für den direkten Diskurs und scheut dabei auch nicht die Konfrontation und das direkte Wort. Oft genug wird von Politiker*innen gefordert, dass sie sich der Debatte stellen und was immer man Bodo Ramelow vorwerfen mag, er gehört zu denen, die genau solchen Debatten nie aus dem Weg gehen und das im übrigen auch keineswegs nur im virtuellen Raum.

Schon oft ist beschrieben worden, wie direkt Bodo Ramelow auf Menschen zugeht, durchaus emotional aber immer mit viel Faktenkenntnis. Im Netz lassen sich eine Reihe solcher Diskussionen finden, Stefan Locke oder auch Martin Debes haben schon darüber geschrieben und viele Menschen und Thüringen und nicht nur dort, schätzen genau diese Eigenschaft. Kein Politsprech, sondern das direkte Wort. Dann kann es auch mal lauter werden aber Bodo Ramelow gehört auch zu den Menschen, die in der Lage sind, sich selbst zu reflektieren und Fehleinschätzungen einzugestehen. Letztes konnten wir alle gerade erleben, als er zugab sich geirrt zu haben, bei der Einschätzung der Pandemielage im Herbst.

Und nun diskutieren wir die Frage, ob es legitim ist, während einer Konferenz der Ministerpräsident*innen Candy Crush zu spielen. Dass Bodo Ramelow eine Affinität zu Candy Crush hat, auch das ist nichts neues. Auf Youtube lässt sich auch dazu ein Clip finden.

Wie gesagt, ich habe die Debatte nicht verfolgen können aber ich habe lange sehr eng mit Bodo Ramelow zusammenarbeiten dürfen und erlaube mir von daher eine Meinung dazu. Jede Menge moralische Zeigefinger werden gerade im Moment erhoben: Da wird über Menschenleben geredet und verhandelt, über Schicksale und Herr Ramelow daddelt… oder ähnliches.

Wer von all diesen Kommentator*innen hat sich eigentlich vorher mal selbst reflektiert?

Was ich gut einschätzen kann, ist, dass die Ministerpräsident*innen übervolle Terminkalender haben und Stunden in Sitzungen oder auch im Auto verbringen. Es ist eine große Herausforderung bei all diesen Terminen hoch konzentriert und aufmerksam zu sein und ich habe als Begleiter bei solchen Terminen durchaus an mir selbst feststellen müssen, wie ich abschaltete oder unaufmerksam war. Etwas, was sich ein MP nicht oder nur sehr selten erlauben kann, denn er steht immer im Fokus, alle blicken auf ihn. Bei Diskussionen und Gesprächen ist es deshalb ein Prinzip von Bodo Ramelow, sein Telefon wegzulegen, gerade, um nicht abgelenkt zu werden.

Und ja, man sitzt oft lange in Beratungen, wo nicht jeder Beitrag gleich spannend ist, wo oft viel Textarbeit geleistet wird, wo es viel Leerlauf gibt und wo es oft auch wichtig ist, die eigene Aufmerksamkeit oben zu halten. Die einen trinken einen Kaffee nach dem anderen, andere müssen oft zum rauchen raus, andere lesen nebenbei und einige daddeln auch mal. Das heißt aber überhaupt nicht, dass sie nicht in der Lage wären, den Debatten zu folgen. Ich empfehle allen Moralist*innen, sich auf einen Versuch mit Bodo Ramelow einzulassen. Ich bin sicher, dass er den Ablauf der MPK trotzdem bis in Details wiedergeben könnte, weil er konzentriert ist und sich unheimlich viel merkt. Letzteres ist eine seiner größten Stärken, die ich wirklich bewundere.

Ich durfte mit Bodo Ramelow mal mehrere Nachtsitzungen während der Schlichtung zwischen Deutscher Bahn und GDL verbringen und ich war irgendwann wirklich am Ende nach stundenlangen Detailberatungen zu Schichtplänen und deren Komplexität. Mein Ausgleich ist dann meist frische Luft, nur ist das genau dann oft schwer aber ich kann gut nachvollziehen, dass es dann auch wichtig ist, den Geist auch mal mit etwas anderem zu füllen.

Heute war ich schon erschrocken, welche Maßstäbe da plötzlich angelegt werden, was man alles nicht darf. Mich haben solche moralischen Zeigefinger schon immer abgeturnt, ich kann mit Leuten, die scheinbar immer alles und zu jeder Zeit richtig machen nicht wirklich was anfangen. Was für ein Bild erzeugen wir damit von Menschen, die jeden Tag viel Verantwortung tragen.

Ich habe es immer genossen, wenn wir nach langen Tagen und Sitzungen im Auto eben auch mal einfach rumgealbert, gesungen oder einfach nichts getan haben. Und ja, dann hat der MP eben ab und an Candy Crush gespielt und sein Büroleiter Biathlon Mania oder Airport City. Was aber bitte sagt das über beide? Nicht mehr, als dass das ziemlich normale Typen sind…

Wie froh bin ich, dass Thüringen einen Ministerpräsidenten hat, der sich fast rund um die Uhr um sein Bundesland und die Menschen, die dort leben, kümmert. Ich weiß sehr genau, wie stark ihn gerade die Lage im Moment umtreibt, wie er ab und an schier verzweifelt an Entscheidungen zu treffen sind und die uns allen sehr, sehr viel abverlangen und ich bin einfach froh, dass es die wenigen Momente gibt, in denen Bodo Ramelow sich erlaubt, mal kurz abzuschalten. Was ich nämlich weiß ist, dass er kurz darauf wieder dabei ist, sein Bundesland durch diese herausfordernden Zeiten zu bringen und gute Lösungen zu finden.

Und genau darauf kommt es im Moment wirklich an!