• Ich zwitschere

Ich habe Fragen…


Und wieder mal gibt es einen Aufruf der Friedensbewegung, diesmal heißt er „Friedenspolitik statt Kriegshysterie!„.

Die meisten von uns wird die Sorgen um die Lage im Osten Europas einen. In und um die Ukraine ist eine politische Situation entstanden, die befürchten lässt, dass ein Funke reicht, um einen Flächenbrand auszulösen. Insofern ist es vollkommen berechtigt, sich dafür einzusetzen, alles zu unternehmen, um zu entspannen und zu deeskalieren.

Ich halte es für vollkommen legitim, in einem solchen Konflikt auch prononciert Stellung zu beziehen oder sogar Partei zu ergreifen aber das sollte dann auch deutlich zum Ausdruck kommen und nicht unter der weißen Flagge der Neutralität daherkommen.

Generell bin ich kein Freund allgemeiner Aufrufe und Appelle, deren Wirkung ich für begrenzt erachte und die in der Regel eher der Selbstbestätigung der eigenen Positionen dienen. Mit Diskurs und Debatte hat das nicht viel zu tun aber kommen wir zurück zu dem jetzt kursierenden Aufruf, der auch von vielen Mitgliedern der Partei, der ich angehöre, unterzeichnet wurde.

„Die Krise um die Ukraine hat sich zur ernsten Bedrohung des Friedens in Europa zugespitzt.

Eine einseitige Schuldzuweisung an Russland, wie sie von einigen westlichen Regierungen und in den großen Medien vorgenommen wird, ist nicht gerechtfertigt und nimmt zunehmend den Charakter von Kriegspropaganda an.

Trotz der Militärmanöver in der Nähe zur Ukraine hat Russland kein Interesse an einem Krieg, der für alle Seiten katastrophale Folgen hätte. Es stehen ähnlich viele Soldaten auf der ukrainischen Seite und bedrohen die von pro-russischen Rebellen kontrollierten Gebiete in der Ostukraine. Auch ohne kriegerische Absicht besteht angesichts der angespannten Situation die Gefahr, dass eine Provokation zum Funken wird, der das Pulverfass explodieren lässt.“

Ja, eine einseitige Sicht auf die Lage in der Ukraine hilft niemandem. Genauso wenig hilfreich ist es aber, wenn plötzlich Ursache und Wirkung verwechselt werden. Es ist hoffentlich unstrittig, dass es zunächst mal das legitime Recht eines Staates ist, auf eigenem Staatsgebiet eigene Soldat:innen zu stationieren. Hier ist nicht der Platz dafür, wo und wie ich die „pro-russischen Rebellen“ einordne. Fakt ist, dass das erklärte Ziel dieser „Rebellen“ und ihrer obskuren Volksrepubliken schließlich und endlich der Anschluss an die Russische Föderation und die Destabilisierung der Ukraine ist und dazu gehört eben auch, dass Russland diesen Prozess eben auch unterstützt. Im übrigen hat die Ukraine sehr leidvolle Erfahrungen mit der Haltung Russland in Bezug auf das eigene Staatsgebiet gemacht, denn die Krim ist auf völkerrechtswidrige Weise von Russland annektiert worden. Schon von daher hätte Russland eine besondere Verantwortung, hier Zurückhaltung zu üben.

Und beim Thema Militärmanöver wundert mich schon, dass jegliche Manöver der NATO in Polen und dem Baltikum von der Friedensbewegung durchaus kritisch gesehen werden, russische Manöver an der ukrainischen Staatsgrenze aber legitim sein wollen. Das überzeugt mich nicht.

„Es ist ein legitimes Sicherheitsinteresse Moskaus, dass die Osterweiterung der NATO, die seit 1999 immer näher an die russischen Grenzen heranrückt, nicht auch noch auf die Ukraine ausgedehnt wird. Das würde die Vorwarnzeit für Moskau bei einem Angriff mit Atomraketen auf 5 Minuten verkürzen.“

Dem ist aus meiner Sicht nicht zu widersprechen. Natürlich fällt uns auf die Füße, dass nach 1989 und dem Ende des Warschauer Paktes eben kein neues europäisches Sicherheitssystem auf Basis der OSZE entstand, sondern sich die NATO immer weiter nach Osten ausdehnte und das insgesamt nicht zu behaupten wäre, dass die NATO keine eigenen Machtinteressen vertreten würde.

„Die aktuelle Krise ist Teil eines globalen und seit längerem bestehenden Konflikts, dessen Wurzeln im Anspruch der USA liegen, „dass Amerika wieder die Welt führt,“ wie es der US-Präsident formuliert. Die europäischen NATO-Partner schließen sich dem mit einigen Nuancierungen als Juniorpartner an. Dagegen lehnen andere, darunter Russland, eine westliche Dominanz ab und wollen als gleichberechtigte Partner in einer multipolaren Weltordnung respektiert werden.“

Auch hier gibt es aus meiner Sicht eine doch recht einseitige Sicht auf die Lage in der Welt. Geopolitische Interessen verfolgen sowohl die USA, als auch Russland oder auch China. Auch die beiden letzteren wollen am Ende ihre Machtinteressen durchsetzen. Am Beispiel Russlands lässt sich das sowohl in Belarus oder auch in Kasachstan gerade aktuell beobachten und auch die Ukraine spielt hier eine Rolle. Ähnliches gilt für China. Insofern ist aus meiner Sicht hier auch ein kritischer Blick auf andere Staaten angebracht.

„Es ist an der Zeit, dass das Prinzip der ungeteilten, gemeinsamen Sicherheit wieder akzeptiert wird, wie es bereits im Kalten Krieg anerkannt wurde. Im Atomzeitalter kann keine Seite ihre Sicherheit auf Kosten der anderen erhöhen. Sicherheit gibt es nur gemeinsam. Dauerhafter Frieden mit Russland erfordert daher eine gesamteuropäische Friedensordnung.“

So ist es! Das setzt aber auch voraus, das würde ich vor allem Mitgliedern meiner Partei mit auf den Weg geben, dass wir eine solche gesamteuropäische Lösung dann auch mittragen und in Anbetracht unseres ungeklärten Verhältnisses zu Institutionen im allgemeinen, beschleichen mich hier doch Zweifel aber das Ziel ist natürlich vollkommen richtig.

„Erste Schritte müssen eine Demilitarisierung entlang der russisch-ukrainischen Grenze und an den Grenzen zwischen Russland und der NATO sein, sowie die Umsetzung des Abkommens von Minsk II. Es sieht einen Waffenstillstand vor, Dialog der Konfliktparteien und einen Sonderstatus der Regionen Donezk und Luhansk innerhalb der Ukraine. Durch einstimmigen UN-Sicherheitsratsbeschluss hat Minsk II auch verbindlichen Völkerrechtsstatus. Die Umsetzung wird jedoch hauptsächlich von der Ukraine blockiert. Sanktionen werden an dem Konflikt nichts ändern. Sie schädigen sinnlos sowohl Russland als auch die anderen europäischen Länder.“

Hier wird es nun richtig schräg, denn sinnvolle Forderungen werden mit einer einseitigen Schuldzuweisung beantwortet. Die Ukraine blockiert also die Umsetzung von Minsk II. Belege bleibt dieser Aufruf schuldig aber warum wird dann so argumentiert? Es reicht eine kurze Recherche im Netz, das das so nicht stimmt. Und aus meiner Sicht ist immer wichtig, darauf hinzuweisen, wo der Ursprung des Konfliktes liegt. Ja, es gibt ukrainischen Nationalismus, ja es gab und gibt Diskriminierungen der russischen Minderheit in der Ukraine aber all das wurde und wird begleitet mit einer massiven Einmischung Russlands in die inneren Angelegenheiten der Ukraine, mit der Annektierung der Krim und nicht zuletzt im Moment mit einem massiven Säbelrasseln. Hier kann ich mich des Eindrucks wirklich nicht mehr erwehren, dass es tatsächlich eben doch eher darum geht, Position zu beziehen.

„Kräfte, die mit aggressivem Nationalismus und Revanchismus die Spannungen anheizen, müssen auf allen Seiten zurückgedrängt werden.

Propagandakrieg, Säbelrasseln, Sanktionen und Aufrüstung müssen aufhören. Stattdessen brauchen wir Deeskalation und Diplomatie. Dies umso mehr, als die globale Bedrohung durch Klima- und Umweltkatastrophen nur durch internationale Kooperation abgewendet werden kann.“

So ist es, nur leider wird dieser Aufruf genau diesem Anspruch nicht gerecht, nicht im Detail jedenfalls.

„Wir fordern:

  • Konkrete Schritte zur Deeskalation, keine militärischen Lieferungen an Kiew,
  • Schluss mit Kriegsrhetorik, Konfrontationspolitik und Sanktionen gegen Russland;
  • Aktives Eintreten für die Umsetzung des völkerrechtlich verbindlichen Abkommens Minsk II;
  • Verhandlungen mit Russland auf der Grundlage eines klaren Bekenntnisses zu Entspannung und dem Prinzip der gemeinsamen Sicherheit;
  • Aktives Eintreten für Rüstungskontroll- und Abrüstungsverhandlungen.“

Interessant an diesen Forderungen ist, dass sich die Mehrheit der Forderungen an die NATO und die Ukraine richten aber nicht an Russland. Wäre nicht eine Bedingung, dass Russland seinen Truppenaufmarsch beendet und die Manöver einstellt. Das wäre ein aktiver Beitrag zur Entspannung. Und wo genau finde ich die Forderung, dass Russland die territoriale Integrität der Ukraine akzeptiert und die Krim verlässt.

Ich bin einig, dass es nicht sein kann, Russland zum Alleinverantwortlichen zu erklären, richtig ist auch die Forderung nach Verhandlungen, auch Russland hat legitime Sicherheitsinteressen, über die gesprochen werden muss und da war die NATO leider in der Vergangenheit kein verlässlicher Partner aber Verantwortung für den Konflikt liegt auf beiden Seiten und das wird aus meiner Sicht in diesem Aufruf nicht deutlich, weshalb ich für mich nur sagen, dass ich ihn nicht unterschreiben kann.